Hintergrund
Die Rüstungsindustrie gehört weltweit zu den verschwiegensten Branchen. Firmen, die ihren Profit aus dem Geschäft mit Krieg, Aufrüstung und Überwachung ziehen, möchten möglichst unerkannt bleiben. Erst recht in der neutralen Schweiz. Mittels einer Datenbank enthüllt die Wochenzeitung WOZ die Namen und Adressen aller Schweizer Unternehmen, die Waffen, weitere militärische Güter und Überwachungstechnologie exportieren. Die Daten werden jährlich aktualisiert und in einem Bericht analysiert.
Die Rüstungsexportkontrolle in der Schweiz gliedert sich in vier Kategorien: Kriegsmaterial, besondere militärische Güter, Dual-Use-Güter (hier gehts vor allem um Generalausfuhrbewilligungen) sowie Güter für Internet- und Mobilfunküberwachung. Wir erklären, was genau hinter den sperrigen Wörtern steckt: Ein Glossar erläutert die fachspezifischen Begriffe.
Der Weg zum Rüstungsreport war steinig: Die WOZ musste in einem langjährigen Rechtsstreit mit dem für die Rüstungsexportkontrolle zuständigen Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bis vor Bundesgericht um Transparenz kämpfen. 2020 konnte sie erstmals die Namen der Firmen veröffentlichen, die über eine Exportbewilligung für Rüstungsgüter verfügen. Damals hat sich die WOZ auch entschieden, den Rüstungsreport als langjähriges Rechercheprojekt mit eigener Website zu verstetigen. Zusätzlich zur interaktiven Datenbank über die Schweizer Rüstungsfirmen publiziert die WOZ auf dieser Website auch sämtliche Dokumente in ihrer Originalform sowie den Schriftverkehr mit dem Seco. So ist es im Sinn der Transparenz auch weiteren Medien, NGOs und interessierten Bürger:innen möglich, mit dem Material zu arbeiten.
Über die Jahre entstanden rund um den Rüstungsreport zahlreiche Recherchen und Analysen zu brisanten Entwicklungen, politischen Entscheidungsprozessen oder fragwürdigen Geschäften einzelner Rüstungsunternehmen. Eine Sammlung davon finden Sie hier: Vertiefte Recherchen.
Der Rüstungsreport wurde 2020 mit dem Prix Transparence des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch ausgezeichnet.
Begriffserklärung
Kriegsmaterial (KM)
Unter Kriegsmaterial werden Waffen, Waffensysteme, Munition und militärische Sprengmittel verstanden. Ebenso gehören Ausrüstungsgegenstände dazu, die spezifisch für den Kampfeinsatz konzipiert sind. Ausfuhren von Kriegsmaterial müssen vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bewilligt werden, in besonders heiklen Fällen müssen zusätzlich das Aussendepartement (EDA) oder der Bundesrat zustimmen. Ausfuhren dürfen nicht bewilligt werden, wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist oder wenn es die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt. Ebenso muss gewährleistet sein, dass das Kriegsmaterial nicht vom Bestimmungsland an einen unerwünschten Endempfänger weitergegeben wird. Kaum ein Land definiert den Begriff «Kriegsmaterial» im internationalen Vergleich so eng wie die Schweiz. Dies hat zur Folge, dass zahlreiche Rüstungsprodukte unter Güterkategorien fallen, bei denen die Ausfuhrbestimmungen weniger streng geregelt sind als beim Kriegsmaterial.
Zum Bundesgesetz über das Kriegsmaterial.
Besondere militärische Güter (ML)
Unter dem Begriff werden Güter mit einem klar militärischen Verwendungszweck verstanden, die aber nicht in einem offensiven Kampfeinsatz Anwendung finden (sollen). Dazu gehören beispielsweise Trainingsflugzeuge für Kampfjetpiloten, Ausrüstungsgegenstände aller Art oder auch Nachtsichtgeräte. Die Kontrollbestimmungen bei der Ausfuhr sind denn auch weniger streng geregelt als beim Kriegsmaterial. Die schwammige Unterscheidung führt dazu, dass besondere militärische Güter trotzdem immer wieder in kriegerischen Auseinandersetzungen auftauchen. So wurden Trainingsflugzeuge des Schweizer Branchenprimus Pilatus wiederholt in bewaffneten Konflikten eingesetzt – entweder mit Überwachungstechnik ausgerüstet zu Aufklärungszwecken oder auch bestückt mit Waffen. Die Kategorie der besonderen militärischen Güter ist überhaupt untrennbar mit dem Flugzeugbauer aus Stans verbunden: Weil das Gesetz vor allem bewirkt, dass die Flugzeuge von Pilatus nicht als Kriegsmaterial gelten, trägt es auch den Übernamen «Lex Pilatus». Der Export von besonderen militärischen Gütern ist auch mit einer Generalausfuhrbewilligung möglich.
Zum Güterkontrollgesetz.
Dual-Use-Güter
Die Kategorie umfasst Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke zum Einsatz kommen können – im Unterschied zu besonderen militärischen Gütern, die nur für militärische Zwecke entwickelt wurden. Dabei handelt es sich oft um Präzisionstechnologie, Werkzeugmaschinen oder Chemikalien. Diese liefern unter Umständen entscheidende Komponenten für tödliche Waffen. Wie bei den besonderen militärischen Gütern ist auch der Export von Dual-Use-Gütern bewilligungspflichtig. Laut dem Aussendepartement gehört die Schweiz zu den sechs Ländern, die weltweit am meisten Dual-Use-Güter exportieren. Der Export solcher Güter ist auch über eine Generalausfuhrbewilligung möglich, ein Instrument, das die Exportbestimmungen in gewisse Länder vereinfacht, indem auf Einzelfallkontrollen verzichtet wird. Dies geschieht auf Kosten der Transparenz und betrifft teils auch den Rüstungsbereich.
Zum Güterkontrollgesetz.
Generalausfuhrbewilligung (GAB)
Das Instrument der Generalausfuhrbewilligungen für besondere militärische Güter und Dual-Use-Güter macht Transparenz über das gesamte Ausmass der Rüstungsexporte von Schweizer Firmen quasi unmöglich. Das Güterkontrollgesetz erlaubt Firmen mit einer ordentlichen Generalausfuhrbewilligung (OGB) den Export von normalerweise bewilligungspflichtigen Gütern in 29 Länder ohne Kontrolle im Einzelfall. Die Länder sind in Anhang 7 der Güterkontrollverordnung aufgeführt, dabei handelt es sich insbesondere um die Nato-Staaten. Mittels einer ausserordentlichen Generalausfuhrbewilligung (AGB) gibt es zudem die Möglichkeit, auch in Länder zu exportieren, die über die im Gesetz festgeschriebenen 29 Länder hinausgehen. Über 45 Unternehmen, die in der Datenbank des WOZ-Rüstungsreports aufgeführt und somit klar auch im internationalen Rüstungsgeschäft tätig sind, verfügen über eine Generalausfuhrbewilligung.
Zur Güterkontrollverordnung und Anhang 7.
Überwachungstechnologie (VIM)
Die Überwachung von Internet und Mobilfunk wird in der Kriegsführung ebenso wie für die Polizei und andere Sicherheitsorgane immer wichtiger. Die Exporte von Überwachungstechnologie sind in einer Verordnung über die Ausfuhr von Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung geregelt, die 2015 eingeführt wurde. Exporte können abgelehnt werden, sofern ein Verwendungszweck der Güter als Repressionsinstrument im Raum steht. Die Daten über die einzelnen Exporte legen offen, dass Schweizer Überwachungstechnologie immer wieder in Länder exportiert wird, in denen die Menschenrechte verletzt werden: nach China, Katar oder in die Türkei.
Zur Verordnung über die Internet- und Mobilfunküberwachung.
Quelldaten und Chronologie des Rechtsstreits
Die Quelldaten für den Rüstungsreport stammen vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das für die Exportkontrolle zuständig ist. Die WOZ hat die Daten nach einem langjährigen Rechtsstreit über mehrere, zeitlich gestaffelte Einsichtsgesuche – gestützt auf das Öffentlichkeitsrecht – erhalten. Insgesamt liegen deshalb vier jährlich wiederkehrende Datensätze in den Kategorien Kriegsmaterial, besondere militärische Güter, Generalausfuhrbewilligungen und Überwachungstechnologie vor. Diese bilden die Grundlage des Rüstungsreports. Wir stellen sie der interessierten Öffentlichkeit hier frei zur Verfügung. Dazu finden sich Links zu den offiziellen Statistiken des Seco sowie die wichtigsten Unterlagen aus dem Rechtsverfahren.
Datensatz A: Kriegsmaterial
Dieser Datensatz umfasst die Listen von Firmen, die vom Seco in den Jahren 2015 bis 2024 eine Bewilligung zum Export von Kriegsmaterial erhalten haben.
- KM/Bewilligte Ausfuhren 2015 2018 WOZ komplett.xlsx
- KM/Anfrage WOZ für bewilligte Kriegsmaterialausfuhren 2019.xlsx
- KM/Anfrage WOZ zu bewilligten Kriegsmaterialausfuhren 2020.xlsx
- KM/Anfrage WOZ zu bewilligten Kriegsmaterialausfuhren 2021.xlsx
- KM/Anfrage WOZ zu bewilligten Kriegsmaterialausfuhren 2022.xlsx
- KM/Kriegsmaterialausfuhren 2023.xlsx
Kriegsmaterialausfuhren 2024 (Bewilligungen und Ablehnungen).xlsxAnmerkung: Für die Jahre 2015 bis 2018 liegen die Daten von allen Firmen vor, die eine Exportbewilligung für Kriegsmaterial beim Seco beantragt haben. Für 2019 bis 2024 hingegen sind nur jene Firmen erfasst, die eine entsprechende Exportbewilligung ab 100 000 Schweizer Franken beantragt haben. So konnten die vom Seco erhobenen Gebühren für die Bearbeitung und Herausgabe der Datensätze erheblich gesenkt werden. 100 000 Franken ist auch ein praktischer Schwellenwert, um die Übersicht über die Profiteure im Krieg zu wahren. Darunter geht es nurmehr um kleinere Exportgeschäfte.
Datensatz B: Besondere militärische Güter
Dieser Datensatz umfasst die Listen von Firmen, die vom Seco in den Jahren 2015 bis 2024 eine Bewilligung zum Export von besonderen militärischen Gütern erhalten haben:
- ML/Firmen WOZ (11.06.2020).xlsx
- ML/10 Firmen.xlsx
- ML/WoZ 2019 ab 100000 CHF (Tabelle).xlsx
- ML/WoZ ML 2020 ab 100000 CHF (Tabelle).xlsx
- ML/WoZ 2021 ab 100000 CHF (Tabelle).xlsx
- ML/WoZ 2022 ab 100000 CHF (Tabelle).xlsx
- ML/Zugangsgesuch WOZ ML 2023.xlsx
- ML/BGÖ WOZ ML 2024 def.xlsx
Anmerkung: Für die Jahre 2015 bis 2018 liegen die Bewilligungen von allen Firmen vor, die eine Exportbewilligung für besondere militärische Güter beim Seco beantragt haben. Für 2019 bis 2024 hingegen sind nur jene Firmen erfasst, die eine entsprechende Exportbewilligung in der Höhe ab 100 000 Schweizer Franken beantragt haben. Die Begründung ist die gleiche wie beim Kriegsmaterial.
Datensatz C: Generalausfuhrbewilligungen
Liste der Firmen, die in den Jahren 2019 bis 2024 im Besitz einer Generalausfuhrbewilligung waren:
- OGB_AGB/Aufstellung GL WOZ 2019.xlsx
- OGB_AGB/Aufstellung WOZ GL 2020.xlsx
- OGB_AGB/Abzugebende Tabelle OGB AGB 2021.xlsx
- OGB_AGB/GL 2022 BGÖ Wochenzeitung.xlsx
- OGB_AGB/WOZ 24 OGB AGB def.xlsx
- OGB_AGB/BGÖ WOZ GL ML Güter 2024.xlsx
Anmerkung: Die WOZ hat erst ab dem Jahr 2019 Anfragen bezüglich der Generalausfuhrbewilligungen gestellt.
Datensatz D: Überwachungstechnologie
Dieser Datensatz umfasst die Listen von Firmen, die in den Jahren 2015 bis 2024 Exportbewilligungen für Güter zur Internet- und Mobilfunküberwachung erhalten haben.
- VIM/Tabelle VIM Jan 2014 - Dez 2019 (alle Quartale).xlsx
- VIM/Tabelle VIM 2020 bewilligte Ausfuhren WOZ.xlsx
- VIM/Tabelle BGÖ VIM WOZ 2021.xlsx
- VIM/2022 BGÖ Wochenzeitung.xlsx
- VIM/VIM 2023 Zugangsgesuch WOZ - Teilabgabe 23.7.24.xlsx
- VIM/BGÖ WOZ VIM 2024 Abgabe 27.5.25.xlsx
Anmerkung: Die Liste mit den Bewilligungen von 2015 bis 2019 hat bereits SRF publiziert.
Offizielle Statistiken
Das Seco veröffentlicht jährlich Statistiken zum Export von Kriegsmaterial und besonderen militärischen Gütern sowie Dual-Use-Gütern. Diese beinhalten die Exportkategorie sowie die Zielländer. Gleicht man sie mit den erteilten Exportbewilligungen ab, die von der WOZ hier publik gemacht werden, können in Einzelfällen Ausfuhren nach Exporteur, Exportkategorie und Zielland vollständig entschlüsselt werden.
Chronologie des Rechtsstreits mit dem Seco
Die WOZ musste bis vor Bundesgericht gelangen, um die verlangten Quelldaten vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zu erhalten. Hier sind in chronologischer Reihenfolge die entsprechenden Dokumente der involvierten Instanzen aufgelistet, die den ganzen Prozess nachvollziehbar machen.